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bewegte Bilder - Reviews, etc

Sonntag, 17. Juni 2018

Fiktion versus Realität

Das Schicksal der eigenen Wahrnehmung …



Vor einigen Wochen hat mir ein befreundeter Händler eine Mail zukommen lassen, in der von einer Redaktion einer Webseite einige Fragen zur TPD2, deren Umsetzung und vermeintlich verabsäumten Gegenwehr gegen die Überregulierung in der nationalen Umsetzung gestellt wurden.

Der Tenor der Mail war: wieso tut ihr nichts?

Es sei vor allem für Einsteiger sehr schwierig geworden, sich gute Ware zu kaufen – egal, ob Hard- oder Software (damit sind wohl Liquids, etc.. gemeint), warum werde nicht gegen die 6-Monate Sperrfrist geklagt, gegen die Verpackungsverordnung (zB wegen der Aufdrucke, dass Nikotin ein Stoff sei, der sehr stark abhängig macht) und wegen einer vermeintlichen Akzeptanz der Regulierung über die Beschränkung von nikotinhaltigen Liquids in 10ml Fläschchen.

Und schließlich der Vorwurf an Österreich im Speziellen, warum man nicht gegen das Versandhandelsverbot geklagt hätte.

Ich nehme jetzt dieses Mail als ein Beispiel dafür, was Joey Hofmann als Wutdampfer umschreibt – und damit sowohl inhaltlich, als auch ideologisch vollkommen recht hat.

Das wäre mal ein "Wutdampfer" ;-)

Mal abgesehen davon, dass ein kurzer Check mit Hilfe von Dr. Google wohl gereicht hätte, um fest zu stellen, dass es gerade in Österreich eine ganze Reihe von publizierten Klagen/Verfahren und Stellungnahmen von offizieller Seite gegen das Golden Plating der vormaligen Regierung bei der Umsetzung in nationales Recht gegeben hat und natürlich noch gibt, bietet diese Anfrage einen sehr guten Ansatz, um ein großes Missverständnis anzugehen:

Dampfen ist nicht der Nabel der Welt.



Das mag in der eigenen Wahrnehmung (zugegeben: auch in meiner) unbefriedigend sein, aber in der Realität steht das Thema dampfen politisch im letzten Drittel der dringlichen Angelegenheiten und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich das in naher Zukunft großartig ändern wird.

In der Fiktion der Hoffnung, dass das Dampfen die Welt retten wird, lässt so mancher Aktivist gerne außer acht, dass dieses Thema nur eine Randgruppe der Bevölkerung interessiert und keinesfalls dazu geeignet ist, gesellschaftspolitisch ein großes Fass aufzumachen, die Weltordnung zu ändern, oder Regierungen dazu zu bringen, bestehende Gesetze von heute auf morgen auf den Kopf zu stellen – egal, wie sehr und mit viel Einsatz darum gekämpft/diskutiert und gerungen wird.

Realistisch betrachtet interessiert das Thema dampfen nur dann, wenn es ums Geld, oder um unbekannte Risiken geht. Um etwaige Steuern, Abgaben und Gebühren zum Beispiel, oder um die Sorge, dass man dieselben Fehler wie bei der Tabakzigarette wiederholen könnte, etc...

Dann kommt dazu, dass auf beiden Seiten – also bei den Befürwortern des Dampfens und bei den Gegnern – ein Mangel an Wissen vorherrscht.
Die einen wissen oft nicht, wie Gesetzgebung funktioniert und die anderen wissen wenig bis gar nichts über die Materie Dampfen – und haben auch kein großartiges Interesse daran.

Das erinnert mich sehr stark an die Partei der GRÜNEN in Österreich: zu Beginn waren die Ideale und Ziele zeitgemäß und sogar vorausschauend wichtig für die Entwicklung der Gesellschaft und dann hat man darauf vergessen, dass es mehr bedarf als für Jutesäcke einzustehen, um langanhaltend in einem Parlament vertreten zu sein und mitbestimmen zu können. Man muss schlicht Alternativen im Gepäck haben, um politisch mitreisen zu dürfen – und zwar auf mehr als einem Gebiet.

Das Schicksal der GRÜNEN-Bewegung in Österreich ist ja bekannt: sie sind raus aus dem Parlament und politisch keine wirklich ernst zu nehmende Kraft mehr.

Nun ist das natürlich nicht 1:1 auf das Dampfen umzusetzen, denn auf der einen Seite gibt es so etwas, wie eine „Dampf-Bewegung“, die den Namen verdient hätte gar nicht und auf der anderen Seite gibt es auch keine geeinten Interessen, die dafür Sorge tragen könnte, dass sich eine derartige Bewegung überhaupt konstituieren könnte.
Allerdings ist die Tendenz eine ähnliche:
Die „Community“ - sofern es die überhaupt schon gibt – ist in sich uneinig, was sie eigentlich will – oder ob sie überhaupt etwas will.

Die Argumentation: „Vor allem für Einsteiger ist es sehr schwierig geworden, sich gute Ware zu kaufen ...“, ist eben keine Argumentation, die für einen politischen Diskurs ausreicht: die Menge an Waren, die verfügbar sind, ist unglaublich groß und umfangreich. Da ist für jeden etwas dabei. Und gerade für Umsteiger ist das zum Beispiel zu einem großen Anteil überhaupt kein Thema, ob es die Box XY schon gibt, oder erst in sechs Monaten, etc.....
Das betrifft eher die HWV-Fraktion ;-)
Auch das Versandhandelsverbot in Österreich tangiert die Umsteiger nur am Rande und das Werbeverbot kennen überhaupt nur die wenigsten.

Die Händler dagegen haben schwer darunter zu leiden. Umsatzeinbußen von einer halben Million Euro und mehr durch das Versandhandelsverbot sind eher die Regel als die Ausnahme in Österreich.
Und das bei gesteigerten Kosten, noch mehr Gebühren und Abgaben (zB die "Liquidabgabe" per Verordnung), etc....

In der fiktiven Welt der Wutdampfer haben die Händler gefälligst dafür Sorge zu tragen, dass diese Beschränkungen wegfallen.
In der Realität kosten die Klagen vor dem Höchstgericht fünf- bis sechsstellige Eurobeträge und die Ergebnisse sind im Vorfeld nicht einzuschätzen. So geschehen bei der Klage gegen das Versandhandelsverbot: eine Niederlage vor Gericht, die zudem das Verbot einzementiert hat.

Ein normaler Händler mit zwei Niederlassungen kann sich so eine Klage gar nicht mehr leisten und die wenige großen Händler die es gibt, tragen nicht nur das Geld- und Prozessrisiko, sondern werden dann (gerade aktuell sichtbar bei einigen Händlern) mit der besonderen Fürsorge der Behörden bedacht.

Wer nun glaubt, dass es hier eine Art von Solidarität der Dampfer mit den Händlern gibt, der irrt gewaltig:
Die Dampfer kaufen trotzdem in Fernost ein, lassen sich die Ware – trotz des mittlerweile nicht mehr geringen Risikos die Ware nicht zu erhalten, weil sie vom Zoll einbehalten wird – nach Hause schicken und schimpfen dann auf die Händler, weil sie nicht schon bei der Veröffentlichung eines neuen Produkts in Asien, die neue und natürlich „beste“ Ware im Angebot haben – ungeachtet, dass es eben die Verpflichtung zur Anmeldung/Registrierung gibt und die Strafe bei Nichteinhaltung existenzgefährdend für den Händler sind. Abgesehen von den Mitbewerbern, die sich gegenseitig wegen einzelner Produkte vor den Kadi ziehen und dann auch noch die ARGES auf den Plan rufen, die dann sogar die Webseiten einzelner Shops abdrehen lässt, weil wir in Österreich eben ein Werbeverbot haben und dieses Thema noch nicht ausjudiziert ist, etc....

Was auch nicht vergessen werden sollte:
Es gibt kein großes öffentliches Interesse an dem Thema dampfen, es sei denn, es zerreißt den nächsten Akku und die Bild braucht ein wenig Clicks.

Es stimmt natürlich, dass es da riesige Versäumnisse seitens der gesamten Branche gab, um das Thema öffentlich wirksam dar zu stellen: Geld für Werbung/PR/Marketing gab es über Jahre hindurch keines.
Auch kein Interesse daran.
„Brauch i ned!“ war eine geflügelte Standardantwort.
Das liegt auch und für mein Empfinden vor allem daran, dass zu Beginn des Hypes rund um das Dampfen eine ganze Reihe von Glücksrittern unterwegs waren, die schlicht keine Ahnung von der Führung eines Unternehmens, einer öffentlichen Ausrichtung hatten – ja oft sogar nicht einmal eine Ahnung davon, wo der Weg hingehen soll. Das Geld sprudelte und die Goldgräberstimmung „was kost' die Welt?“ war vielfach verbreitet.

Von Strategie oder Zukunftsplanung – geschweige denn von Businessplänen – war wenig bis gar nicht zu sehen. Steuerstrafverfahren waren fast schon usus.
Das hat die Wahrnehmung der Politik über der Branche nachhaltig geprägt. Die Rufe nach Regulierung und Kontrolle waren da zum Teil auch berechtigt.
Und natürlich ist das Potential erkannt worden: die Zuwächse waren astronomisch und gerade die Trafikantenlobby fühlte sich nachhaltig bedroht – was zur ersten Klage vor dem Höchstgericht gegen die Eingliederung des Dampfens in das Tabakmonopol geführt hatte (die ja Gott sei dank gewonnen wurde).
Die Situation wurde nicht nur in Österreich wahrgenommen und was auf europäischer Ebene daraus geworden ist, spüren wir jetzt alle.

In der fiktiven Weltordnung der Wutdampfer sind jetzt alle Händler daran schuld und jetzt wird gefordert, jahrelange Prozesse auf EU-Ebene innerhalb weniger Monate rückabzuwickeln, Gesetze zu ändern, sich zu „wehren“, etc....
Die Realität zeigt uns da allen den Mittelfinger:
Jahrelange Versäumnisse aufzuarbeiten dauert mindestens genauso lange, wie sie zur Entstehung an Zeit benötigt haben.
In vielen Belangen macht es überhaupt keinen Sinn, eine Aufarbeitung auch nur zu versuchen, weil dann wichtige Ressourcen gebunden werden, die realistisch für zukünftige Ausrichtungen eingesetzt werden müssen.
Und bei allen richtigen und wichtigen Argumenten für das Dampfen darf man nicht vergessen: die Sicherung von Arbeitsplätzen, die Bildung, das Gesundheitswesen als Gesamtes, die Sicherung von Pensionen und insgesamt das Aufrechterhalten des ganzen Staatsapparates ist jeder Regierung ein weitaus wichtigeres Anliegen, als der Wunsch des/der DampferIn nach der neuen Hardware aus China.

Das Dampfen ist mittlerweile in der Gesellschaft angekommen. Das Business hat sich etabliert und damit auch Einzug in den Alltag gefunden. Mit allen Vorzügen und Nachteilen.
Die Branche wird erwachsen und muss sich der Herausforderungen professionell annehmen. Das tut sie in vielen Bereichen auch schon.
Politisches Lobbying geschieht und ist so erfolgreich, wie Lobbying in anderen Bereichen auch.
Es geschieht dort, wo es hingehört: in den Parteien, im Parlament in den Parlamentclubs und bei den Abgeordneten, bei den Sozialpartnern und Verbänden.
Es geschieht in Österreich und nicht in Brüssel – das Golden Plating bei der Umsetzung der TPD2 in nationales Recht ist Sache Österreichs und nicht der EU.

Wird es überhaupt Änderungen geben?
Ja, die wird es definitiv geben. Ob es Änderungen sein werden, die uns gefallen?
Wir werden sehen ….

Zuletzt etwas in eigener Sache:

Joey Hoffmann hat mit vapers.guru eine professionelle Plattform ins Leben gerufen, die mir nicht nur sehr gut gefällt, sondern die mir auch die Gelegenheit gegeben hat, nicht auf jeden Artikel, der gerade durch die Medien gejagt wird, reagieren und etwas schreiben zu müssen.
Seine Art der Berichterstattung ist umfangreich und gut strukturiert.
Es macht für mich keinen Sinn, über dieselben Themen zu schreiben, die auch schon auf vapers.guru erschienen sind und ich spare mir wertvolle Lebenszeit, die wir ja alle nur begrenzt zur Verfügung haben.
Es wird natürlich auch weiterhin ab und an Artikel im Dampfcafe zu lesen geben, aber nicht mehr in dem Ausmaß wie zu Beginn ;-)

Vape on!


Text und Bilder: Felix Huber (XPS, Vienna Vape Show 2016)

 

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