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Sonntag, 3. Juli 2016

Die IBZ in der Regierung

repräsentative Dillokratie as it best


Bei den Recherchen zu diesem Artikel bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass ich meinen Wortschatz kreativ erweitern muss, um sehr komplexe Abläufe gerade noch leserlich darzustellen.

Zum Beispiel die Krux mit der repräsentativen Demokratie in der Theorie und in der Praxis.

Sehr vereinfacht gesagt, ist das die Form der Demokratie, wo wir WählerInnen unsere Vertreter wählen, die dann die Sachentscheidungen für uns und in unserem Willen treffen.
Wir haben da nur einmal was zu melden und zwar zu dem Zeitpunkt, wo wir eben unsere Vertreter (meist Parteien) wählen.
Ab dann sind wir mehr oder weniger nur mehr Passagiere – zumindest in Österreich.
In der Theorie eine durchaus sehr vernünftige Lösung für Länder, in denen die WählerInnen kein besonderes Animo dazu haben, selbst Entscheidungen treffen zu wollen und auch zu können.

Deshalb wählen wir ja unsere Vertreter und gehen grundsätzlich davon aus, dass die dann all das umsetzen, was tatsächlich gut für uns ist und uns weiterbringt.
Und wir gehen auch grundsätzlich davon aus, dass wir - wenn auch nur indirekt - nur die klügsten Köpfe gewählt haben: Menschen, die aufgrund Ihrer Ausbildung, Ihrer Lebenserfahrung oder sonst einem herausragendem Umstand besser als wir einfachen Bürger und Bürgerinnen in der Lage und befähigt sind, unser aller Schicksal nicht nur zu lenken, sondern auch bestmöglich weiter zu entwickeln.

Jo eh.

Soweit die Theorie.
In der Praxis sieht das dann schon ganz anders aus.
Wir hatten zum Beispiel bis vor kurzem noch einen Regierungschef, der als besondere Qualifikation einfach nur ein Redner war. Außer einer erfolgreichen Inskription und einer Semesterprüfung war da nichts mehr zu holen. Immerhin hat er sich damit fast acht Jahre lang an der Spitze der Regierung gehalten.
Und der jetzige Regierungschef – ein bundespolitischer Quereinsteiger – hat ebenfalls einen endend wollenden Erfolgsrun vorzuweisen – außer der Tatsache, dass er als Manager eines mehr als nur staatsnahen Betriebes Milliarden an Defiziten produziert und mehr als 2000 Menschen vor die Tür gesetzt hat – als Sozialdemokrat wohlgemerkt.

Bitte, mich jetzt nicht falsch zu verstehen: es ist nur eine kleine Aufzählung dessen, was wir aller Wahrscheinlichkeit so nicht gewollt hatten, als wir zur Wahl gegangen sind, im Vertrauen, dass die von uns gewählten Parteien die Besten der Besten mit unserem Schicksal betrauen. Es ist indes kein Jammern, dass es uns schlecht geht....
Und es ist auch kein politisches Kalkül dahinter: es ist einfach so, wie es ist.

Jo eh.

In Wahrheit ist es dann doch eher so, dass die wirklich gut ausgebildeten BürgerInnen dieses Landes anderes zu tun haben, als sich tieffliegenden Hackeln auszusetzen und den gepflegten „Wird scho werden.“, „Hauma imma so gmocht“, „Passt scho so“ Pragmatismus auszusetzen.
Die gehen nicht in die Politik – die bleiben in der Privatwirtschaft, wo sie zum Beispiel wirklich etwas bewegen und erschaffen können.

Dagegen herrscht in unserer Regierungsszene der gepflegte Dilettantismus des Hobbyfussballvereins XY vor, der nur deswegen noch nicht zum völligen Kollaps geführt hat, weil die Leidensgrenze bei den Bürgern und Bürgerinnen noch lange nicht erreicht ist.
Solange alle ein wenig zu essen haben und ein wenig herumspielen dürfen – solange ist alles gut.

Tatsächlich haben uns die von uns mit Vertrauen ausgestatteten Parteien nicht die besten Köpfe dieses Landes organisiert und als Vertreter entsandt, sondern das und die, die halt gerade zur Hand waren/sind.

Aus dieser Kombination heraus – repräsentative Demokratie und Dilettantismus ist dann für mich die Wortschöpfung der repräsentativen Dillokratie entstanden: wenn Amateure regieren.


Das war freilich nicht immer so und ist „erst“ in den letzten dreißig Jahren leise und schleichend Usus geworden.

Wir leben natürlich immer noch in einem Land, das sehr hohen Wohlstand bietet, ein sehr dichtes soziales Netz besitzt und in dem der Rechtsstaat – wenn es darauf ankommt - tatsächlich funktioniert.

Aber das ist nicht der Tatsache geschuldet, dass die Vertreter in der Gesetzgebung so fantastisch arbeiten und die Fehlerquote annehmbar gering ist. Im Gegenteil: es ist einfach nur dem Umstand zu verdanken, dass wir als Staat immer mehr Geld aufnehmen können (und dürfen), um den Luxus den wir erleben dürfen zu erhalten, die WählerInnen kein echtes Interesse an Politik mehr haben und weitest gehend auf Kontrolle verzichten und zu guter Letzt ist es natürlich auch unser aller Bequemlichkeit, die uns maximal zu Tastaturhelden und Couchkläffer macht, aber nicht zu aktiven Teilnehmern an demokratischen Prozessen, wie zum Beispiel Kundgebungen, Demonstrationen, Befragungen, Petitionen, etc...

Ein Beispiel, wie das in unserem Land tatsächlich mit der Gesetzgebung läuft, konnten/durften wir vor wenigen Tagen selbst erleben.

Zum einen war da die Anhörung als Experte vor dem Petitionsausschuss zur Petition gegen die Umsetzung der TPD2 in nationales Recht.
Schon der Termin für dieses Expertenhearing war ein Schlag ins Gesicht: am 20. Mai trat das beschwerte Gesetz in Kraft und mehr als ein Monat danach war die Anhörung.
Dazu muss auch noch gesagt werden, dass eine mehr als nur aussichtsreiche Klage beim Verfassungsgerichtshof gegen die nationale Umsetzung der TPD2 in das Tabakgesetz läuft.
Und nur aus diesem Grund haben wir auf die Anhörung nicht verzichtet, weil nach der zu erwartenden Aufhebung des beklagten Gesetzes wir insgesamt wieder – zumindest teilweise – bei Null beginnen werden und dann diese eigentlich obsolete Anhörung plötzlich wieder Gewicht bekommen wird.

Also auf in das Parlament in den Petitionsausschuss. Wochenlange Vorbereitungen mit prominenter Fachunterstützung sind diesem Termin vorausgegangen.

Thomas Baburek, der als Erstunterzeichner und als Experte geladen war, war willens, sich in einen beinharten Infight mit den erklärten Gegnern des Dampfens zu begeben.

Thomas Baburek bei den letzten Vorbereitungen im historischen Sitzungssaal zur Anhörung im Parlament.

Und obwohl wir wussten, dass es in der Politik in den meisten Bereichen um sogenannte Junktimierungen geht (das sind politische Absprachen: ich geb Dir das, dafür gibst Du mir das, etc...), war das Erleben des Kuhhandels vor Ort erschreckend.
Nicht nur, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen die Abgeordneten im Ausschuss sowohl mit der Materie, als auch mit der Meinungsbildung des freien Mandats dazu völlig überfordert waren, war es auch das vollkommene Fehlen des Interesses an der Wahrheit, das erschüttert hat.

Seitens einiger Ausschussmitglieder wurden zum Beispiel immer wieder die sogenannten Experten – welche vom Gesetzgeber im Zuge der Gesetzwerdung befragt, oder gelesen wurden als nahezu unantastbar hervorgekramt und fast heilig gesprochen.
Als Baburek dann diese Experten sachlich sehr überzeugend und nachhaltig als zumindest fehl am Platz demaskiert hat, konnte man den kollektiven Denkkollaps der betreffenden Ausschussmitglieder beinahe schon körperlich wahrnehmen.

Yep - eine Expertin, ohne Zweifel

Schnappatmung wäre hier der angebrachte Terminus für die Reaktion im Ausschuss.

Nach etwas mehr als sieben Minuten Vortrag und knapp drei Minuten ergänzender Frage/Antwort-Runde war den rund 30 Abgeordneten und Beisitzern im Ausschuss klar, dass die Geschichte nicht so einfach zu Ende gehen wird, wie man sich das gewünscht hat.

Also tat die Regierung das, was sie am besten kann: mit den Stimmen (und zwar nur mit diesen Stimmen!) der Regierungsparteien wurde beschlossen, dass die Petition zur Kenntnis genommen wird.
Das ist gleich bedeutend mit einem fröhlichen „Schleich Di“.
Babureks Vortrag war wirklich sehr gut und hat dazu geführt, dass die Fraktion der Grünen entgegen dem bisherigen Vorgehen, dem gewünschten Antrag zur Weiterleitung in den Gesundheitsausschuss (der vom „Lagerfeind“ FPÖ eingebracht wurde!) zugestimmt haben.
Was wieder bei den Regierungsparteien zu einem kollektiven „?“ geführt hat. Zudem wird diese Petition noch einmal im Nationalrat behandelt: verlesen und diskutiert vor laufender Kamera im öffentlich rechtlichen TV.


Thomas Baburek nach der Anhörung im Petitionsausschuss

Auch das wollte man sich gerne sparen.

Bis auf wenige Ausnahmen hat sich in diesem ganzen Prozess – von der Einbringung der Petition, über die Ausarbeitung eines eigenen Gesetzesvorschlages bis hin zur Anhörung im Ausschuss – gezeigt, dass es tatsächlich im Parlament eine Art von neutraler Zone für Wissen – die Intelligenzbefreite Zone – gibt.

Und das verwundert uns nicht einmal.

Dasselbe Phänomen erleben wir ja tagtäglich in den sogenannten sozialen Medien, wo jeder und jede Halbwissende zum Heilsbringer aufsteigt und zum Beispiel ohne jede fachliche Vorkenntnisse seine eigene Interpretation von Gesetzesvorschlägen und -texten zum Besten gibt.

Da wird dann aus einem Entwurf zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes in Deutschland mit hysterischen Interpretationen fern der Realität reagiert, ohne den gesamten Text des Entwurfes und schon gar nicht die Erläuterungen, oder gar die Zusammenhänge mit geltendem Recht auch nur zu lesen – geschweige denn inhaltlich richtig wieder zu geben.
Das ist derselbe Schmarren, wie er auch schon bei der TPD2 zu lesen und auch zu spüren war.
Selbsternannte facebook-Rechtsversteher und leider auch Händler und Hersteller, die ohne Rechtsbeistand einzuholen, gleich einmal den nächsten Weltuntergang heraufbeschwören.
Und dann fließen auch gleich mal Animositäten von Bloggern und Interessenseinrichtungen untereinander in die Interpretation mit ein.
Da ist ja die Objektivität und faktenbasierte und unvoreingenommene Betrachtung von vornherein schon mit einer roten Karte vom Feld verbannt.

Wenn man sich zum Beispiel der Überlegung hingibt, dass es zu einem großen - wenn nicht überhaupt als Ganzes - mit dem Thema Steuern zu tun hat, dann ergibt sich daraus wieder ein ganz anderer und vielleicht sogar sinnvollerer Zusammenhang. Kurzer Denkansatz dazu: wozu wohl die EU-weit einheitliche Limitierung auf 10ml, etc..., wenn nicht dazu, dass es auch eine EU-weite gleichberechenbare Steuer geben soll?
Nur so ein Ansatz ....

Aber auch hier erleben wir eine Art von IBZ, die sich selbst nährend von tonnenweise Trollfutter unbeirrt weiter ausbreitet und um sich greift.

Ich hoffe inständig, dass all diese „Wissenden“ niemals die Gelegenheit in Anspruch nehmen um vor einer gesetzgebenden Einrichtung zu sprechen. Da Ergebnis wäre fatal – wie uns der weithin blamable Auftritt bei der Anhörung in Deutschland eindrücklich vor Augen geführt hat.

Da lobe ich mir die Arbeit des Thomas Babureks mit seinem Team und Unterstützern, der hier professionell und gut geplant ans Werk geht und auch dementsprechende nachhaltige Ergebnisse auf den Tisch legt.

Zuletzt noch eine Kuriosität:
Die Umsetzung der TPD2 ins nationales Recht hat erstaunlicherweise eine neue Spezies erschaffen:




Die „Rattus Vapor“ -  die Dampfratte!

VORSICHT! Satire!


Ihr Erkennungsmerkmal ist die nach außen hin gespielte Loyalität mit den Händlern und Herstellern und die aber tatsächlich gelebte Anzeigenwut gegen eigentlich gemeinsam kämpfenden Mitbewerber.
Sie hat sich in den letzten Wochen immer öfter gezeigt. Beginnend mit den ersten Lebenszeichen durch Anzeigen gegen Händler am 21.05.2016 – einen Tag nach Inkrafttreten des neuen Tabakgesetzes.

Über ihre Motivation kann nur spekuliert werden: Neid, Gier oder einfach nur die Tatsache, dass die Dampfratte ein Geschöpf der Intelligenzbefreiten Zone ist?
Wir wissen es nicht – aber wir werden darüber berichten, wenn es soweit ist ;-)

In diesem Sinne:

Danke an Thomas Baburek, Bernd Mayer und all diejenigen, die in den letzten Wochen so hart für unser aller Wohl gekämpft haben.

Und macht Euch bitte keine Sorgen, weil wir in einem Land leben, wo das politische Wort schon dann nichts mehr gilt, wenn es gedacht ist (von aussprechen gar nicht erst zu reden): Wir alle haben uns das selbst gewählt – ich bin da keine Ausnahme ;-)

Aber man kann ja auch dazu lernen ….

Vape on!

Text: Felix Huber
Bilder: Felix Huber



 

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