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bewegte Bilder - Reviews, etc

Sonntag, 1. Januar 2017

Chirurgenstahl und Design

... in Hall beginnt die Welt



Wien - Hilton am Stadtpark - 30.11.2016

Ich sitze in der Lounge des Hilton Hotels und warte auf meinen Gesprächspartner. Ich bin ein wenig zu früh dran und gehe noch einmal meine Notizen durch:

DI Günther Höfert, Geschäftsführer der VON ERL GmbH mit Sitz in Hall in Tirol, Mitglied des Verwaltungsrates der LOREA AG in Zürich (zusammen mit Dr. Christoph Swarovski und Urs Steffen), Geschäftsführer der 1963 gegründeten Sistro Präzisionsmechanik GmbH (zertifiziert nach ISO Normen für Medizinprodukte, Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigung....), Geschäftsführer der Sistro Immobilien Ges.m.b.H., und und und ...

DI Günter Höfert - CEO bei VON ERL

Bei den Recherchen ist mir auch ein Statement Höferts anlässlich einer VCPÖ-Tagung (VCPÖ = Verband der Cigarren und Pfeifenfachhändler Österreichs) untergekommen, das interessant ist:
(Zitat aus seinem Vortrag vom 19.10.2015)

Höfert stört die Gleichbehandlung der E-Zigarette mit Tabakwaren im für 2018 beschlossenen Rauchverbot in der Gastronomie: "Die Novelle des Tabakgesetzes zielt vor allem auf die Schwerpunkte Nichtraucherschutz sowie Arbeitnehmerschutz ab. Die E-Zigarette wurde hier ohne sachliche Begründung einfach mit hineingenommen, wogegen wir als Hersteller - und damit "nur" mittelbar Betroffener nicht klagen können. Wir planen deshalb die Eröffnung eines Lokals, um Parteienstellung zu bekommen. Mittlerweile gibt es genügend Studien, welche nachweisen, dass von E-Zigaretten keine Gefährdung für die Umgebung wie beim "herkömmlichen" Passivrauch ausgeht."
Ein Bonmot konnte sich Höfert auch nicht verkneifen: "Wenn es um die Verhinderung der Nikotinaufnahme an sich ginge müssten ja auch Nikotinpflaster verboten werden - aber das ging dann selbst dem Gesetzgeber wohl zu weit."

Das war vor etwas mehr als einem Jahr und in der Zwischenzeit gibt es eine Menge neuer Vorschriften und Gesetze .....

Höfert kommt pünktlich zum Termin in Begleitung seiner Assistentin, Manuela Vogt und dem Reisegepäck im Schlepp - eingecheckt wird später.
Schon bei der Begrüßung wird klar: das wird ein entspanntes Interview.

Mit am Tisch in der Lounge sitzt mittlerweile auch Thomas Baburek vom Händlerverband VFFED, der mit Höfert im Anschluss an das Interview über "A Billion Lives" sprechen wird.

Meine Kernfragen sind einfach:

Was ist VON ERL?
Wie kam es von der Präzisionsmechanik für Medizin, Raumfahrt und Luftfahrt zum Hersteller von E-Dampfgeräten und Liquids?
Die Expansion nach Amerika - warum jetzt?
Die Gesetzeslage.
Gegenwart und Zukunft: wo steht die Branche und wohin geht der Weg?

Höfert gönnt sich einen Schluck Mineralwasser und legt los:

"Ein bisschen zur Historie von VON ERL, wie ist es eigentlich dazu gekommen?", stellt er die Frage selbst in den Raum.

Der Sitz von VON ERL in Hall in Tirol (Fotograf: Klaus Maislinger)

Mir fällt dabei die Erlkönigin ein - mit dem genialen Design (ich weiß, das ist natürlich Geschmacksache...) und der Herausforderung der Queen beim Wickeln  ....
"Ich muss da noch einen Schritt zurückgehen..." ergänzt Höfert: "ich leite in Hall in Tirol ein Medizintechnikunternehmen mit rund 60 Mitarbeitern und wir stellen unter anderem chirurgische Werkzeuge her und Implantate. Als Hersteller in diesem Bereich haben wir auch eine kleine Entwicklungsabteilung, wo ich meine Leute immer wieder mit der Herausforderung auseinandersetze, Ideen für neue Produkte zu finden.
Eines Tages  - das war etwa Mitte 2013 - sitzt einer meiner Entwickler bei mir im Büro und sagt: Günter, wir könnten E-Zigaretten machen!"

Höfert schmunzelt beim nächsten Satz:

"Mein erster Gedanke war: was ist mit Dir los?"

"Ich war kein Raucher und wusste nicht einmal, dass es E-Zigaretten gibt! Ich habe aber dann die Idee aufgegriffen und begonnen zu recherchieren: was ist diese E-Zigarette überhaupt, gibt es da einen Markt, wer sind die Hersteller, wie wird es vertrieben und hab dann sehr schnell erkannt: Wahnsinn! Es schien mir damals nicht nur eine coole Technologie zu sein, sondern auch die Marktsituation war sehr spannend. Die größten Produzenten sitzen in Asien, die Händlernetzwerke sind gerade im Aufbau und ich war damals noch so naiv, dass ich mir dachte: das sollten wir uns anschauen und versuchen, ob wir nicht so eine E-Zigarette selbst entwickeln können. Daraus ist dann die Erlkönigin entstanden. Mit dem Hintergrund, dass wir der Hersteller und Entwickler von medizintechnischen Produkten sind."

"Die Erlkönigin ist aus Chirurgenstahl gefertigt worden, um zum Beispiel mögliche Nickelallergien auszuschließen", sagt Höfert.
Ich werfe dazu ein, dass das genau der Grund war, warum ich mir damals die Erlkönigin besorgt habe - und auch das Design, das mich angesprochen hat.

Die Erlkönigin

Höfert weiter: "Da bin ich völlig bei Dir: die Erlkönigin war wunderschön, aber von der Usability her nicht sonderlich praktisch. Aber es war auch ein wenig der Strategie geschuldet: wir als kleiner Hersteller konnten damals schlicht nicht im Massenmarkt Platz finden, wir haben uns auf die Nischen konzentriert, wollten den Markt erst einmal kennenlernen mit der Erlkönigin als Nischenprodukt. Und das hat ja sehr gut funktioniert - nicht nur in Österreich und Deutschland waren wir sehr rasch ein Gesprächsthema, sondern auch in Amerika. Wir haben zwar nicht hunderttausende Erlköniginnen verkauft, aber wir haben eine Marke begonnen aufzubauen."

Meine nächste Frage schließt an: die Erlkönigin aus Chirurgenstahl - das ist eine nachvollziehbare Entscheidung, aber was war der Grund sich auf dem Markt der Liquidhersteller zu tummeln?

"Da war auch der chinesische Markt ein Faktor: in einer Nische, wo alle zwei bis drei Wochen neues Equipment auf den Markt kommt, schneller geclont wird, als Du selbst herstellen kannst, sind die Kosten für die Entwicklung der Prototypen und die Serienherstellung - die ja alle in Europa gefertigt werden - einfach zu hoch, um auf Dauer am Markt bestehen zu können. China produziert schneller und billiger. Wir wollten aber unseren Qualitätsanspruch nicht aufgeben müssen und wir wollten auch den Massenmarkt erreichen. Die nächsten Schritte waren daher aus Sicht des Wirtschaftstreibenden zwingend logisch: wir haben bei den größten Herstellern in China eine Art von Zuliefer-Audit gemacht und uns die besten rausgesucht. Am Schluss blieb dann ein Hersteller übrig, mit dem wir auch jetzt noch zusammenarbeiten. Dazwischen haben wir zum Beispiel Mundstücke aus Chirurgenstahl an unterschiedliche Hersteller geliefert und uns für den Eintritt auf den Massenmarkt vorbereitet.
Zuerst mit Liquids, die von einem europäischen Hersteller für uns hergestellt und gebrandet wurden. Wir wollten und wollen dem Verbraucher ein Produkt bieten, das höchste Qualitätsansprüche zu erschwinglichen Preisen liefert. Dass dabei die gesamte Produktionskette in einer Hand liegen sollte, waren wir unseren Ansprüchen geschuldet."
"In der Zwischenzeit haben wir uns eigene Liquidkompetenz aufgebaut und uns einige Wissenschaftler der Uni Innsbruck ins Boot geholt, die für die Entwicklung der eigenen Liquidlinie, wie wir sie zum Beispiel bei der MY einsetzen, verantwortlich zeichnen: wir produzieren mittlerweile selbst und stellen auch teilweise die Aromastoffe selbst her. Wir haben ein eigenes Extraktionslabor, wo wir den Geschmack zum Beispiel aus echtem Cognac, Campari oder Bourbon extrahieren - aber auch aus allerlei Kräutern."

Höfert nimmt dabei sein neuestes Produkt in die Hand und einen Zug aus der MY - E-Zigarette.

Screenshot aus Interview-Video

Screenshot aus Interview-Video

"Die MY ist das Produkt für den Massenmarkt, für die Umsteiger: ein Zugsensor, zwölf verschiedene Geschmacksrichtungen und ein geschlossenes System, das sehr handlich und schön ist. Damit haben wir den amerikanischen Markt an uns gezogen: dort hat jeder sofort verstanden, worum es geht."

Warum Amerika?

"Die USA ist der halbe Weltmarkt für das Dampfen. Ich erreiche dort in einer Sprache, mit einer Verpackung und einer echten Marktharmonisierung rund 350 Millionen Menschen. Das hat mir auch wieder gezeigt, wie weit wir in Europa von einer Harmonisierung entfernt sind und wie fatal die TPD2 ist. Wir sind in Amerika sehr erfolgreich und müssen dort nicht auf Dinge, wie zum Beispiel die unterschiedlichen Warnhinweise - auch in gleicher Sprache wie in Deutschland und Österreich achten. Dort gibt es das eben nur einmal in einer Sprache für den gesamten Markt. Das senkt die Produktionskosten enorm. Wir sind zum Beispiel auch in Italien, in Frankreich und England tätig und überall - obwohl es ja ein harmonisierter Wirtschaftsraum sein sollte - habe ich völlig unterschiedliche Verpackungsvorschriften. Das ist schlicht eine Katastrophe."

Herr Höfert, Sie haben in nur zwei Jahren unglaubliches auf die Beine gestellt. Eigene Produktionseinheiten, Entwicklungslabors, der Sprung über den Teich sind da offenbar nur ein kleiner Teil des Gesamtkonzepts, das hinter VON ERL steht. Wie ist das in so kurzer Zeit überhaupt zu schaffen?

"Es ist sehr arbeitsintensiv, mit vielen Spezialisten die im Team arbeiten und es kostet richtig Geld. Aber wir glauben an den Markt und sehen das Potential darin. In fünf Jahren soll VON ERL eine der fünf Marken weltweit sein, die man mit dem Begriff E-Zigaretten assoziiert. Das schaffen wir mit sogenannten Easy-to-use Produkten, die qualitativ hochwertig sind. Unser Klientel sind ehemalige Raucher und Raucherinnen im Alter von 40+, die umsteigen, oder auch aussteigen wollen aus dem herkömmlichen Zigarettenkonsum."

Meine Frage an Günter Höfert: wohin geht der Weg in Europa? Wird es eine Harmonisierung geben? Wo steht da Österreich - die Plattform zur Anmeldung von Produkten funktioniert ja noch immer nicht?

"Es ist total frustrierend. Wir haben zum Beispiel zigtausende Euros ausgegeben, um unsere Produkte analysieren zu lassen, Berichte zu erstellen und so weiter. Dann müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es in der EU-Datenbank nicht einmal festgelegte Grenzwerte gibt, die als Norm oder auch nur als Richtwert gelten könnten. Wir haben zum Beispiel 135 Produkte notifiziert, testen lassen und die Ergebnisse allesamt in der EU-Datenbank hinterlegt. Dabei hat kein einziger Nationalstaat auch nur die Ressourcen - geschweige denn das Know-How - um irgendetwas mit diesen Ergebnissen zu tun. Nun bin ich der Meinung, dass es gut ist, wenn es eine Form eines Regulatives gibt, weil der Konsument Sicherheit braucht, dass das Produkt das er verwendet festgelegten Normen entspricht, oder der Dampf den er inhaliert bestimmte Grenzwerte nicht überschreitet. Nur, es gibt diese Grenzwerte als Norm schlicht nicht.
Ich sehe jetzt auch keine unmittelbare Änderung dieser Situation."

Wohin geht der Weg?

"Einer der größten Fehler war wahrscheinlich, dass wir unsere Produkte E-Zigarette benannt haben. Damit ist eine Argumentationslinie vorhanden, die zwar nicht stimmt, aber polemisiert werden kann und wird. Denken wir an den Ausspruch, dass alles was dampft und raucht verboten werden muss, dann finden wir darin bereits die beginnende Stigmatisierung des Dampfens. Die beiden großen Lobbys - Tabak- und Pharmalobby - haben wenig Interesse daran ein Milliardengeschäft aufzugeben: die einen verdienen am direkten Verkauf und die anderen an den Krankheiten, die das Tabakrauchen auslöst. Beide Lobbys haben nicht unbedeutende Werbeetats und Lobbyingetats, die auch gezielt eingesetzt werden.
Allerdings hat der Markt hier ein von der Meinungsdoktrin abweichendes Eigenleben entwickelt und trotz Werbeverbot und Versandhandelsverbot - was im Übrigen ein völliger Wahnsinn ist - zweistellige Zuwachszahlen zu verzeichnen. Das Dampfen wird sich ohne Frage durchsetzen.
Wie sich die Gesetzeslage entwickeln wird, kann man nur aus dem Kaffeesud auslesen: solange in einigen Bereichen die Befürworter der völligen Abstinenz unterwegs sind, werden auch einige abstruse Vorschläge auf dem Tisch kommen. Aber am Tagesende wird sich das Dampfen durchsetzen.", sagts und nimmt einen Zug aus seiner MY.

Ein Wegweiser? Die MY von VON ERL

Danke an Günter Höfert für seine Zeit für das Interview, den Blick hinter die Kulissen und seinen Einsatz für das Dampfen: VON ERL ist aktives Mitglied des VFFED.

In diesem Sinne: Vape on!

Text: Felix Huber
Bilder: Felix Huber, Klaus Maislinger (Bildnachbearbeitung: Felix)
 

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